Anno 1952-1955

Wir schreiben das Jahr 1952. Der zweite Weltkrieg und die Währungsreform sind überstanden, das Wirtschaftswunder bringt ersten bescheidenen Wohlstand und der Ruf nach wieder Gründung des Bürger-Schützen-Vereins Bottrop-Eigen wird immer lauter. Heinrich Steinmann vom Limberg, der immer noch amtierende 1. Vorsitzende, stellt sich trotz seines hohen Alters der Herausforderung und beruft im Februar die Mitglieder zu einer Versammlung ein, natürlich bei Wittstamm. Schon im März 1952 kann er stolz feststellen: “Der Stamm ist wieder da und wir wollen versuchen, die verlorene Zeit zu überbrücken. Es soll wieder wie einst der beste und größte Schützenverein Bottrops werden.” Dazu ist sehr viel Einsatz nötig. Vereinsvermögen und Fahne sind verloren gegangen, die Schießstände bei Fahnenbruck müssen wieder aufgebaut werden – und das bei einem Beitrag von 1,00 DM im Monat. Aber der Einsatz lohnte sich: Am 1. Dezember berichten die Bottroper Zeitungen ausführlich über die von OB Wilczok im Beisein aller Brudervereine durchgeführte Fahnenweihe. Zwar ist es nur ein schmuckloses grün-weißes Tuch, das man an die gerettete Fahnenstange heften kann, aber die inzwischen mehr als 80 Mitglieder des BSV haben wieder ein Symbol. Auf dem wieder fertig gestellten Schießstand kann man auf 50 m kniend freihändig schießen und der BSV nimmt wieder am Toten Gedächtnisschießen teil.

1953 wird wieder ein kompletter Vorstand gewählt. Heinrich Steinmann, jetzt 77 Jahre alt, stellt sich nicht mehr zur Wiederwahl und wird spontan zum Ehrenoberst ernannt. Der neue Vorstand setzt sich wie folgt zusammen: 1. Vorsitzender Karl Fuchs, 2. Vorsitzender Wilhelrn Rehme, 1. Schriftführer Heinrich Menebröcker, 2. Schriftführer Karl-Heinz Illert. 1. Kassierer August Preuthen, 2. Kassierer Josef Vooren, Schießwart Hans Vöck. Die Kompanieführer sind Fritz Kaspar, Erich Schönfeld und Heinrich Werris.

Unter dieser Führung nimmt der BSV Eigen am Bundesschießen und am Städtewettkampf Bottrop-Essen teil und bereitet das erste Schützenfest nach 16 Jahren vor. Vom 25. bis 27. Juli ist es dann endlich soweit. Der Ablauf des ersten Nachkriegs- Schützenfestes richtet sich schon wieder nach der Tradition: Am Samstag Festball bei Wittstamm, am Sonntag gemeinsamer Kirchgang, danach Frühkonzert und um 18.30 Uhr Königsparade mit anschließendem Schützenball. Trotz teilweise wolken-bruchartigen Regens geht es am Montag ab 10 Uhr bei Wittstamm zünftig zur Sache und es passiert genau das, was absolut niemand will: mit dem ersten Ehrenschuss des MdL Budke fällt die Krone! Der Stimmung tut dies keinen Abbruch und das alte Königspaar Johann I. Pehl und Ida I. Große-Wilde klatscht begeistert Beifall, als

Kurt Holze den Kranz und Karl Brausewein den Kopf des Vogels als Andenken mit nach Hause nehmen können. Danach sichern sich Erich Schönfeld den Reichsapfel, Heinrich Vöck das Zepter, Odo Kräft und Gerd Rüdel je einen der Flügel. Um 13.15 Uhr endlich kann der aus Gips gefertigte Vogelrumpf den Schuss von Jakob Köper nicht mehr verkraften und nach 16 Jahren haben wir einen neuen Schützenkönig. Zur Königin erwählt sich Jakob I. die Frau des Vereinswirtes, Gertrud I. Preuthen geb. Wittstamm. Nach kurzer Pause treten die Schützen urn 16 Uhr wieder an, und zwar zur Königsproklamation und dem anschließendem Festzug durch dem Eigen. Den Abschluss bildet wie immer der große Krönungsball.

Die Zeitungen schreiben dazu u.a.: Wie ja allgemein bekannt ist, versteht sich die Eigener Bürgerschaft gut darauf, Feste zu feiern … und: man spürte das innige zusammenhalten der Eigener Bürgerschaft mit dem Schützenverein … und: Die Eigener Schützen dürfen mit dem Verlauf ihres ersten Nachkriegs Schützenfestes sehr zufrieden sein.

In Bonn erreicht Conrad Adenauer 104 Mandate mehr, im Ruhrgebiet bleibt die SPD stärkste Partei und Bottrop wird mit 100 000 Einwohnern Großstadt.

1954 – Das Ereignis in Bern. Helmut Rahn, 3:2 gegen Ungarn, Deutschland ist Fußballweltmeister!

In der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung erblickt “Kumpel Anton” das Licht der Welt und wird schnell zur Symbolfigur für das Ruhrgebiet.

An den Pfingsttagen vom 5. bis 7. Juni 1954 begeht der BSV Eigen ein Schützenfest, aus dem Johann Beckfeld im zweiten Stechen mit Hans Geis und Erich ter Horst als Eintags-König hervorgeht. Paula Geis wird seine Königin

Das wichtigste an diesem Fest ist jedoch die Weihe einer neuen, würdigen Vereinsfahne. Freiherr von Metternich hatte die Vorlage anfertigen lassen, und so zeigt sie auch auf der einen Seite auf weißer Seide die Wappen Westfalens, Bottrops und des Geschlechtes derer von Metternich sowie dessen Wahlspruch: “Was Du ererbt von Deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen.” Die andere Seite zeigt auf dunkelgrünem Samt das Schützenwappen: Adler, Scheibe und zwei Büchsen. Ehrenoberst Steinmann lässt es sich nicht nehmen, den Weiheakt durchzuführen, und wie immer dauert der sich anschließende Festball bis in den frühen Morgen

Im Jahre 1955 hat sich das Schützenleben wieder normalisiert. In allen Vereinen gibt es viele Aktivitäten, beim BSV Eigen wird am 5. Juni bei herrlichem Sommerwetter der Eintagskönig ermittelt. Schießmeister Heinrich Vöck rnuss gleich vier Schützen zum Stechen bitten: Karl Fuchs, Erich Schönfeld. Franz Reul und Heinrich Menebröcker haben jeweils 33 von 36 Ringen erzielt. Für Erich Schönfeld und Franz Reul reicht es dann. „nur” zu einer 11. Heinrich Menebröcker schafft als einziger die 12 und wird zum umjubelten Eintagskönig. Schützenkönig Jakob Köper beglückwünscht ihn zum Erfolg und verkündet gutgelaunt, das er einen “gewaltigen Durst” habe. Er ist nicht der einzige …

Im Bundesgebiet gibt es in diesem Jahr rund 5 Mio Pkw. Gängigstes Fabrikat ist der Käfer, aber es ist auch die Zeit des Lloyd (Leukoplastbomber), der Isetta, des BMW 501 und des ersten Mercedes 300. In unserer Nachbarschaft wird Rot-Weiß Essen erstmals deutscher Fußballmeister.