Anno 1989-1990

1989 ist nicht nur für die Schützen des BSV Eigen ein wichtiges Jahr. Ab dem 10. März hat Bottrop eine weitere Partnerstadt: Merseburg. Sicherung des Friedens und Herstellung gutnachbarlicher Beziehungen auf kommunaler Ebene sind die Ziele, die sich die Vertreter der Städte setzen. Auch das Wetter meint es gut, kann doch Oberstadtdirektor Ernst Löchelt schon am 21. Juli den 50000. Besucher des Stenkhoffbades in dieser Saison begrüßen und mit einem Präsent erfreuen.

Das erste sportliche Ereignis auf Bataillonsebene ist wie in jedem Jahr das Schießen um die Vereinsmeisterschaft. Um auch Vereinsmitgliedern, die nicht “jeden Tag das Gewehr in der Hand haben”, eine Chance zu geben, schießen wir erstmals in zwei Leistungsgruppen. In der Gruppe A (“Geübte Schützen”) siegt in der Schützenklasse Bernhard Weismüller mit 87 Ringen vor Rolf Porsch (75) und Erich Weber (72), in der Altersklasse Hugo Skowronski (97 Ringe) vor Robert Koch (95) und Henry Kräft (94). In der Gruppe B (“Sonntagsschützen”) siegt Otto Schwab (94 Ringe) vor Karl-Heinz Wrona (93) und Horst Bergmann (ebenfalls (93). Den Sieg mit der Luftpistole (Schützenklasse) verbucht Erich Weber für sich vor Bernhard Weismüller und Peter Vogel; in der Altersklasse siegt Erwin Marzian vor Norbert Hassa und Hugo Skowronski. (Die Aufteilung in diese Gruppen wird nach kurzer Zeit wieder aufgegeben. weil keiner mehr in der Gruppe A schießen will.)

Eigentlich wäre ja der BSV Vonderort an der Reihe gewesen, aber der verzichtet. Die Eigener springen in die Bresche und feiern mit ihrem 22. Schützenfest gleichzeitig das diesjährige Bundesschützenfest. Dazu gehört natürlich auch das Ausrichten des Bundesschießens. Wenn nur das Gewinnen such so einfach wäre, wie das Ausrichten; neun Mannschaften – allen voran der BSV Fuhlenbrock – erringen zum Teil deutlich mehr Ringe als die Eigener, weil trotz der Mitgliederstärke des Vereins von über 400 Mann keine komplette Mannschaft zu diesem Wettbewerb antritt. Schwamm drüber(?)

Dafür herrscht beim Biwak – die traditionelle Generalprobe vor dem großen Fest – eine um so stärkere Beteiligung und eine Superstimmung. Dafür sorgt – wie schon so oft – der Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr unter der Stabführung von Gerd Gensty, der sowohl beim ersten Antreten beim amtierenden Schützenkönig Gangolf I. als auch bei der Königin Hannelore I. und nicht zuletzt an der Endstation im “Beckfelds Büschken” für zünftige Melodien und schmissige Rhythmen sorgt. Der 1. Vorsitzende, Peter Neises, trägt mit einigen Beförderungen (Henry Kräft zum Oberleutnant, Heinrich Krolitzek und Rudi Möller zum Leutnant) zum Gelingen des Tages bei.

Nicht nur große Plakate, auch aufwendige Artikel in den Bottroper Zeitungen künden dann von dem großen Ereignis, das vom 12. bis 14. August auf dem Festplatz an der Liebfrauenschule stattfindet. Beschränken wir uns auf eine Bildunterschrift im “Stadtspiegel Bottrop” vom 9. August: “Schützenfeste im Eigen haben eine lange Tradition”. Diese Tradition bestimmt auch den Ablauf des Festes mit Bundessitzung. Festgottesdienst, Kranzniederlegung, Bürgerball und Großem Zapfenstreich am Samstag, Frühschoppen am Sonntagmorgen, Empfang der Gastvereine mit ihren Königspaaren auf dem Berliner Platz mit Königsparade und dem Festzug zum Eigen, Ehrung der Bundessieger und dem großen Festball am Sonntagabend. Feuer frei! heißt es dann am Montagmorgen. Über 2000 Zuschauer wollen sich bei hochsommerlichem Wetter den immer wieder spannenden Kampf um die Trophäen und die Königswürde nicht entgehen lassen. OB Kurt Schmitz ist im Urlaub, Bürgermeister Winfried Fockenberg terminlich verhindert, also erledigt Heinrich Schierenberg, Vorsitzender des Ortsschützenbundes, in gewohnter Souveränität den dem amtierenden Stadtoberhaupt zustehenden ersten Schuss “in Vertretung”. Auch die Pfarrer Nyssing, Dahmen, Schwering und Neumann. die Direktoren von Stadtsparkasse, Volksbank und Commerzbank, die Vorsitzenden des BSV Eigen

und natürlich die amtierenden Majestäten Gangolf I. (Große-Wilde) und Hannelore I. (Rehme) geben ihre Ehrenschüsse ab. Erst danach dürfen die Schützenbrüder sich um die Trophäen kümmern. Zunächst sieht es ganz so aus. als wolle die “Erste” ihren Erfolg von 1977 wiederholen: Dirk Gattnar holt mit dem 40. Schuss die Krone, Frank Wilke mit dem 41. Schuss das Zepter. Karl-Heinz Tolksdorf mit dem 44. den Apfel und Peter Switala mit dem 195. Schuss den linken Flügel. Und dann holt mit dem 329. Schuss die “Dritte” den rechten Flügel. Jürgen Begger hat dis Serie der “Ersten” gebrochen. Nichtsdestotrotz hat nach der Erbsensuppe der Königskandidat der ersten Kompanie die besten Nerven. Um 14.33 Uhr holt mit der 65. Königspatrone der Spieß der ersten Kompanie Rudi Wesselborg den Vogelrest von der Stange und damit die Königswürde. Hannegret l. (Lefering) heißt für die nächsten zwei Jahre die Königin an seiner Seite. Das bringt gerade in der “Ersten” die Stimmung auf den Höhepunkt. kann sie doch nach 12 Jahren Abstinenz endlich wieder den König stellen. Der “Rest” des Tages verläuft dann wieder entsprechend der Tradition: Königsproklamation mit Übergabe der Thron-Insignien, die Königsparade mit Festumzug durch den Eigen und schließlich der feierliche Krönungsball. Aber der große Erfolg dieses Eigener Schützentestes ist nicht nur den Schützen zu verdanken, sondern einmal mehr der sehr regen Beteiligung der Bottroper Bevölkerung.

Der letzte Höhepunkt des Jahres ist traditionsgemäß das Bataillonsfest. Anfang November, das als glanzvoller Krönungsball in die Chronik eingehen wird. Peter Neises begrüßt eine überaus große Gästeschar, darunter auch Abordnungen der be- freundeten Schützenvereine Marl-Frentrop und Gladbeck-Ellinghorst und viele ehemalige Schützenkönige und -königinnen. Bernhard Weismüller und Hugo Skowronski erhalten die errungenen Wanderschnüre und die Führer der drei Kompanien überreichen den Majestätsn Rudi I. (Wesselborg) und Hannegret I. (Lefering) ein Blumenangebinde. Für den Rest sorgt das glänzend aufgelegte Duo “Die Zwei”.

1990 ist ein bedeutsames Jahr – nicht nur für Deutschland. Der Irak beginnt einen Krieg gegen das Emirat Kuweit, die Welt schlägt erbarmungslos zurück. Im September führt die Bundesregierung neue Banknoten ein, angeblich völlig fälschungssicher, aber dann kommt der Farbkopierer …

Im Oktober geschieht das völlig Unerwartete: Die Mauer in Berlin fällt, nach 45 Jahren ist Deutschland wiedervereint. Wenig später zerbricht das gesamte sozialistische System und mit ihm der “Ostblock”. Die “Sowjetunion” existiert nicht mehr. Erst jetzt wird klar, welche verheerenden Folgen die sozialistische Planwirtschaft hatte.

Auf der Jahreshauptversammlung des BSV Eigen im März gibt es im Vorstand einige Änderungen. Vorsitzende sind nun Peter Neises und Alfred Rehme, Geschäftsführer Otto Schwab und Robert Koch, Schatzmeister Bernhard Wachtmeister und Werner Tebemum, Sport- und Sozialwart ist Rudi Wesselborg, Bataillonskommandeur ist Leo Ketteler.

Oberstleutnant Hans Bonin der Chef Borkener Jäger, der übrigens in diesem Jahr für seine ehrenvollen Verdienste “zum Wohle der Bürger” mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wird, lädt die Schützen des BSV gleich zu zwei Veranstaltungen seiner Einheit ein.

Ein großes Ereignis im September ist das Stadtteilfest, das nach dem großen Erfolg 1988 auch in diesem Jahr von allen bei Wittstamm tagenden Vereinen durchgeführt wird. Selbstverständlich sind auch die Schützen aktiv beteiligt und helfen mit, den Reinerlös zu steigern, der für einen wohltätigen Zweck zur Verfügung gestellt wird.

ln diesem Jahr trennen sich unsere so erfolgreichen Pistolenschützen vom? BSV Eigen und gründen einen eigenen, rein auf Leistungssport orientierten Verein. Schuld daran haben letztlich die Dachverbände, die zwischen Vereinsmitgliedern und Sportschützen keinen Unterschied mehr machen und hohe Beitragsnachforderungen stellen. Für den BSV Eigen lautet die Konsequenz genau wie für andere Schützenvereine: Austritt aus den Dachverbänden Wettkämpfe nur noch auf der Ebene des Ortsschützenbundes.

Der aufmerksame Leser wird festgestellt haben, dass diese Chronik vorwiegend über die Schützenfeste und die Bataillonsteste berichtet. Natürlich sind dies die Höhepunkte in unserem Vereinsleben, aber ebenso natürlich gibt es zahllose weitere Veranstaltungen auf Bataillons und Kompanieebene, deren bloße Aufzählung diesen Rahmen sprengen würde. Hier daher nur ein Beispiel aus jeder Kompanie: Die “Dritte” trifft sich alljährlich im Januar zum “Heddenhausen-Grünkohlessen”, bei dem nicht nur Grünkohl mit Hemchen und Mettwurst vertilgt werden, sondern allein 19 Pokalsieger geehrt werden. Hierbei werden auch die Kompaniemeister ausgezeichnet, sowie die im Laufe des vergangenen Jahres erworbenen Leistungsabzeichen verteilt, wie Rheinlandnadeln, Jahreswappen, Schützenkordeln usw- Die “Vierte” stellt ihr zweijährliches Kompaniefest jeweils unter ein bestimmtes Motto. Nach einer “Ungarischen Nacht” im Jahre 1988 heißt es in diesem Mai .,E viva Espana”. Im festlichem – Stil einer spanischen Bodega – geschmückten Saalbau Wittstamm zeigt die Formation “Alma Gitanal” eine Stunde lang eine rassige Flamenco Show, anschließend bietet die Tanzgruppe “Real” unter Leitung von Astrid Rüdiger eine flotte Tanzshow mit Lambada. und Disco-Fox-Rhytmen, die durch raffinierte Licht- und Nebeleffekte unterstützt wird. Besondere Stimmung kommt auf, als die Tänzerinnen und Tänzer die Schützenbrüder und ihre Damen zum Mittanzen auffordern. Die gelungene Feier dauert bis weit in den frühen Morgen. Die “Erste” feiert u.a. im Oktober ihre “Eintagsmajestäten” mit einem Manöverball, denn die Schützen der 1. Kompanie können nicht nur gut schießen, sondern auch kräftig feiern. Sechs Majestäten kann der Kompanieführer Helmut Sandforth begrüßen, nämlich das “richtige” Königspaar Rudi I. (Wesselborg) und Hannegret I. (Lefering), das “Eintagskönigspaar” Ralf und Christiane Grätz und die..Eintags- Majestäten” des Vorjahres Kurt Gawrisch und Monika Sandforth. Neben Delegationen des Vorstands und der anderen Kompanien nimmt auch eine starke Abordnung der Schützenfreunde aus Ellinghorst an dem Fest teil, das mit Ordensverleihungen, Tanz, Unterhaltung. Plaudern und Singen und einer großen Tombola erst in den Morgenstunden ausklingt.